Dieses Bild ist eines meiner Lieblingsbilder. Bei jeder Ausstellung oder Vorführung ist es immer wieder ein Heidenspaß, die Leute beim Versuch der Interpretation zu betrachten, weshalb ich es wohl auch nicht verkaufen werde. Nur sehr wenige haben das Motiv sofort erkannt. Bei einer Kunstmesse hatte ich das Vergnügen, einen Kunstliebhaber drei Tage dabei zu beobachten, wie er immer wieder an den Stand kam, und nicht wissen wollte, was das Motiv ist, um es selbst herauszubekommen. Und bis zum Ende der Messe konnte er es nicht zuordnen … bis zu dem Moment, als ich ihm eröffnete, was abgebildet ist. Es funktioniert ähnlich wie ein Vexierbild.
Seinen Charme bezieht dieses Bild aus dem interessanten Spiel mit der Wahrnehmung. Wir nehmen unsere Welt aufgrund von Mustern war, deren Bedeutungen wir aufgrund erlernter Beschreibungen der Welt definieren. Ein Baum ist nicht vorrangig ein objektiver Baum, sondern wir haben gelernt, dass eine bestimmte Mustergestaltung einen Baum ergibt. Aufgrund dessen ist alles Baum, was dieser erlernten Mustererkennung entspricht.
Vor der scheinbar routinierten Mustererkennung existiert ein Wahrnehmungs-Bereich, in dem wir keine (bekannten) Muster erkennen oder in eine unbekannte Struktur so ziemlich alles hinein interpretieren (können), was unsere Phantasie zulässt.
Kinder nehmen die Welt auf diese Weise solange wahr, bis wir ihnen diese Welt erklärt bzw. unsere Musterdefinitionen beigebracht haben.
Nun zur einfachen Frage: Was ist das Motiv des Bildes?
Ich werde es hier nicht verraten, weil ich den folgenden Effekt nicht zunichte machen will: Ab dem Moment, in dem wir erkennen, was das Motiv ist, ist der Fokus der Mustererkennung unumkehrbar. Beispiel: Wir wissen, wie es ist, zu gehen. Vor dem ersten Schritt hatten wir keinen Imprint dazu im Bewusstsein, aber wenn wir den ersten Schritt getan haben, ist dieser Imprint des Wissens um den Vorgang des Gehens unauslöschbar, selbst wenn wir aufgrund eines Unfalls keine Beine mehr haben sollten.
Ebenso verhält es sich mit diesem Bild. Wir können solange alles hineininterpretieren, wie wir nicht wissen, was das Muster ist. Wissen wir, was das Motiv ist, können wir uns nur schwer davon lösen und es durch ein anderes Muster ersetzen.
In diesem Sinne: viel Spaß bei der Betrachtung der Funktionsweise unseres Bewusstseins …
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